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25.5.1950
In Prag (Tschechoslowakei) geboren. Sein Vater war zu dieser Zeit
Tontechniker beim Tschechoslowakischen Rundfunk, später technischer
Angestellter verschiedener Industriebetriebe. Die Mutter war Verkäuferin,
seit der Entbindung in Invalidenrente.
Herbst 1955
Erste Unterrichtsstunden in Klavierspiel und Musiktheorie; zuerst
privat, später - ab 1959 - in einer staatlichen Musikschule. Die
Musiklehrer unterstützen die kindliche Neigung zum Komponieren.
1963
Eine Klavierlehrerin der Musikschule vermittelt das Bekanntwerden mit
Jan Zdenìk Bartoš, der am Konservatorium in Prag Komposition unterrichtet.
Dieser bereitet OK drei Jahre unentgeltlich auf die Aufnahmeprüfung vor.
In dieser Zeit komponiert OK regelmäßig (eine ganze Reihe von Versuchen,
z. B. eine Sonate für Violine, eine Sonate für Klavier, ein
Bläserquintett, ein Streichquartett, eine Sinfonie).
1.9.1965
Studienbeginn am Prager Konversatorium in den Fächern Orgelspiel und
Komposition. Studium bei Josef Kunbáò (Orgel) und Miroslav Raichl,
František Kovaøíèek, J. Z. Bartoš (Komposition, Formen und Analyse,
Instrumentierung), Zdenìk Hùla (Harmonie und Kontrapunkt). Während des
Studiums am Konservatorium entsteht eine ganze Reihe von
Studienkompositionen. Außerdem komponiert OK (vor allem während der
Ferien) „für sich", unter anderem ein Konzert für Klavier und Orchester
und eine weitere Sinfonie.
1.10.1969
Studienbeginn an der Akademie der musischen Künste, am Lehrstuhl für
Komposition in der Klasse von Jiøí Pauer (ein Semester in der Klasse von
Emil Hlobil). Die bisherige von der europäischen Klassik beeinflusste
kompositorische Denkweise (dank der „Orgel"-Erudition am Konservatorium
intensives Studium der Musik von J. S. Bach; Tendenz zur „klassischen"
Linie Bach - Mozart - Beethoven - Brahms - Dvoøák - Tschaikowski - Franck
- Hindemith - Prokofjew - Schostakowitsch), wird mit dem Studium der
„Musica Nova" konfrontiert. Gleichzeitig mit dem Kompositionsstudium ist
OK als ausübender Musiker tätig (Orgel, Klavier, Cembalo).
1972
Eheschließung mit Miluška Wagnerová, einer Mitschülerin in der
Orgelabteilung (zwei Töchter: Eva - 1974, Martina - 1977). Ungefähr in der
gleichen Zeit erreicht OK einen festeren Standpunkt in der Frage der
weiteren kompositorischen Ausrichtung: Von der Musica Nova empfängt er
eine ganze Reihe technischer Anregungen („farbiges" Denken, die Technik
der sog. Aleatorik; die Möglichkeit, die Zeitfolgen der einzelnen Stimmen
des musikalischen Gewebes aufzulösen; wegen ihrer außermusikalischen
Determiniertheit übernimmt die serielle Denkweise nicht), die er jedoch in
Form einer Synthese in das „klassische" Denken einfügen möchte (markantes
thematisches Material in allen Komponenten, logische, mit dem Gehör
lesbare Harmonien, deutlicher formaler Aufbau im Zusammenspiel mit einer
klaren Tektonik usw.), das er für die Realisierung und vor allem für das
Anklingen seiner kompositorischen Musiksprache als am besten geeignet
ansieht.
1973
Studienabschluss an der AMU mit der Sinfonie für Orgel und Orchester.
Damals war OK schon als Korrepetitor der Oper des Nationaltheaters
beschäftigt. Nach Studienabschluss umfangreiche Kompositionstätigkeit, oft
nur für den eigenen Bedarf. Große Bedeutung für die weitere Entwicklung
OKs als Komponist hat eine Freundesgruppe junger, gleichaltriger
Komponisten (Vladimír Tichý, Miroslav Kubièka, Pavel Jeøábek, Štìpán Rak ,
Juraj Filas, Jiøí Gemrot und gelegentlich auch andere). Bei ihren
regelmäßigen Begegnungen wurden die neuen Werke der Gruppenmitglieder
systematisch beurteilt und die Werke aller Stilepochen gewissenhaft
studiert. Ergebnis dieser Tätigkeit war eine weitere Selbstbestärkung des
eingeschlagenen Wegs der „Synthese" des Klassischen mit Elementen der
„Musica Nova".
1976
Nach der Absolvierung einer einjährigen Wehrpflicht (Künstlerensemble
der Armee) beginnt OK beim Tschechoslowakischen Rundfunk als
Musikregisseur zu arbeiten. Damals erwirbt er dank mehrerer Preise in
Wettbewerben und recht erfolgreicher Premieren (Klaviertrio, Sinfonietta
Verwandlung u.a.) verhältnismäßig rasch sein Renommee als Komponist. Seine
Werke werden auf führenden tschechischen Podien aufgeführt (Woche des
neuen Schaffens, Junges Podium in Karlsbad), das Junge Litomyšl Smetanas,
später Prager Frühling, Abonnementzyklus der Tschechischen Philharmonie),
er wird Mitglied des Komponistenverbands und in verschiedene Funktionen
zur Organisation des tschechischen Musiklebens berufen. Aufträge von
führenden Kammerensembles für neue Kompositionen, die dann im In- und
Ausland aufgeführt werden. OKs Kompositionen erscheinen auf
Grammophonplatten und als Notendrucke. Die aufgeführten Titel werden von
Musikern, Publikum und mehreren Kritikern positiv beurteilt, jedoch wegen
dem angeblichen Konservativismus der klassischen Basis in der Denkweise
des Komponisten auch abgelehnt. Deshalb kommt es zu einer Selbstanalyse zu
Überprüfung der Grundlagen des musikalischen Denkens. Das Ergebnis ist
eine radikalere Einbeziehung von Elementen der „Musica Nova"
(kompliziertere Mittel sowohl in der Melodik als auch in der
Harmoniestruktur, in Stilisierung und Aufbau. Dabei wird jedoch die
Notwendigkeit einer klaren thematischen Grundlage als Basis für die
musikalische Mitteilung niemals verleugnet), was sich in einigen
Kompositionen, die um 1980 entstanden, offenbart (Streichquartett Nr. 4,
erste Fassung der Sinfonie Es-Dur, u. a.).
1980
Ab 1. 9. beim Komponistenverband als Sekretär angestellt. Dadurch mehr
Raum für kompositorische Arbeiten. Anfang der 80er Jahre jedoch
schöpferische Krise. Die letzten Werke werden zwar von ehemaligen
Opponenten besser (jedoch nicht uneingeschränkt), von Musikern und Hörern
jedoch viel kälter aufgenommen. Vor allem aber ist OK selbst unzufrieden
wegen der Kompliziertheit und „Unvermittelbarkeit" seiner Werke. Mit einer
Reihe kleinerer Kompositionen sucht und lernt OK eine schlichtere
kompositorische Denkweise. Ergebnis sind einige Kammerstücke, das Vorspiel
Karneval der Welt und die Sinfonie D-Dur. Die „alt-neue" schöpferische
Sicht wird auch von den Gegebenheiten der internationalen Musik
unterstützt: Abkehr einiger Autoren von der „Avantgarde" und allgemeines
Vordringen postmoderner Auffassungen. Die Kompositionen der zweiten Hälfte
der 80er Jahre sind nicht mehr so stark belastet mit der Lösung von Fragen
nach dem gewählten Stil. Der Komponist bedingt sich das Recht aus, sich
nach eigenem Willen kundzutun, und erkennt die Kraft und die
professionelle Erfassung der geschaffenen Musik als einzigen Wertemaßstab
an. Aus dieser Zeit stammen vor allem die sinfonische Passacaglia RUR, die
Sinfonie für Streichquartett und Orchester, das 5. Streichquartett und der
große Klavierzyklus Album.
1990
Die vehementen Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse
hatten auch eine Transformation aller Institutionen zur Folge, die das
Betreiben zeitgenössischer Musik förderten. Erhebliche Einschränkungen der
finanziellen Mittel führen zu einer radikalen Reduzierung der
Möglichkeiten, neue Titel zur Geltung zu bringen. Veranstalter und
Interpreten konzentrieren sich fast ausschließlich auf „bewährte“ Titel,
was andererseits bedeutete, dass Neuheiten nur minimale Gelegenheiten für
Reprisen geboten wurden. Soziale Probleme bewegen den Komponisten dazu,
sich anstellen zu lassen – oft an mehreren Stellen – was eine starke
Einschränkung der Kompositionstätigkeit bedeutet. OK nimmt beim
Tschechslowakischen Rundfunk erneut eine Tätigkeit als Dramaturg und
Musikredakteur auf. Gleichzeitig beginnt er am Prager Konservatorium zu
unterrichten, zuerst Musiktheorie, später Komposition (seit 1997 Leiter
der Abteilung für Komposition). Die bislang häufigen Wiederaufführungen
der Kompositionen von OK flauen ab. Seine Kompositionstätigkeit schlägt
zwei Wege ein: Einerseits schafft er kleinere, für konkrete Anlässe
bestimmte Kompositionen, andererseits schafft er „idealistische
Großgemälde“ ohne die Möglichkeit einer momentanen Verwendung (Requiem).
2000
OKs Gemahlin stirbt. Nach drei Jahren Eheschließung mit Frau Dr. Jana
Smékalová (langjährige Dramaturgin der Firma Supraphon, seit 2000
Mitarbeiterin des Jüdischen Museums in Prag). Entstehung mehrerer größerer
Kompositionen (Serenatta noturna für Streichorchester, die
Streichquartette Nr. 6 und 7, das Sextett für Oboe, Harfe und
Streichquartett, die Sinfonie Die Vier Jahreszeiten, der Liederzyklus
Crescendo), alle auf Grundlage konkreter Aufträge. Charakter und Stil der
Werke sind anhand einer Konzeption und des bedachten Inhalts entstanden.
Erfolgreiche Aufführung des Bilds der Kassandra in Deutschland und des
Zyklus Crescendo in Prag.
2018
Otomar Kvìch starb am 16. März 2018 in Prag.
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